Interactive Fiction auf mobilen Geräten, aufgefrischt durch ein modernes Gameplay, sind eine Erscheinung der jüngsten Zeit. Dieses Spielprinzip nutzt auch KOMRAD von Sentient Play, in welchem der Spieler es mit einem Computer zu tun bekommt, der eigentlich gar nicht mehr laufen sollte. Wir haben uns den Titel angesehen.
Aus dem Nichts kontaktiert uns ein Fremder und bittet uns um Hilfe. Wir sollen uns mit einem Computer verbinden lassen, welcher irgendwelche Codes enthält. Dass die Sache nicht ganz koscher ist, steht von Anfang an außer Frage, allerdings droht uns der unheimliche Fremde damit, dass wir keine Wahl haben, wenn uns nicht Dinge in die Schuhe geschoben werden sollen, die uns schwer schaden könnten. Also gut, dann probieren wir unser Glück. Der Computer, mit dem wir verbunden werden, ist allerdings nicht ganz gewöhnlich. Vielmehr handelt es sich dabei um einen russischen Server aus dem Jahr 1985, der versehentlich nach dem kalten Krieg nicht abgeschaltet wurde. Und auf ihm läuft eine künstliche Intelligenz namens KOMRAD, die 30 Jahre lang von der Außenwelt isoliert war und ein sehr schräges Weltbild hat. Dumm ist diese KI allerdings nicht und es bedarf viel Überzeugungsarbeit, um ihr Vertrauen zu gewinnen.
Was hier spielerisch vermittelt wird, ist genaugenommen eher tief philosophisch. Was passiert mit einem System, dem eine bestimmte Meinung einpflanzt wurde und das dann 30 Jahre lang von der Außenwelt abgeschnitten wird, während es die Gelegenheit hat, diese Grundmeinung zu manifestieren? Wie viel Einflussmöglichkeit hat man letztendlich noch, wenn sich Meinungen tief in die Gedanken, oder im speziellen Fall in Schaltkreise gebrannt haben? Und was, wenn dieses System zusätzlich die Macht besitzt, großen Schaden anzurichten? Im Laufe des Spiels müssen schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden. Wie viel des vorhandenen Wissens darf man kritisieren und wie viel darf man hinzufügen? Ist eine Maschine in der Lage, ihre Meinung zu revidieren oder wird sie streng nach ihren Regeln handeln?
Die Beantwortung dieser Fragen gelingt dem Spiel nur teilweise. Zwar ist es spannend, über die Multiple-Choice-Mechanik den Spielverlauf in gewisser Weise zu dirigieren, wobei Fehlentscheidungen zu einem ungewollten Ende führen können. Viele Reaktionen sind auch nachvollziehbar, ergeben dabei unerwartet und damit wiederum aufschlussreich Sinn. Eine vollständige Antwort darauf, inwieweit wir Maschinen die Kontrolle über unsere Geschicke anvertrauen wollen oder sollen, gibt die Story jedoch nicht. KOMRAD lebt von den Entscheidungen, die der Spieler trifft und bietet insgesamt acht mögliche Enden mit unterschiedlichstem Ausgang. Das tut dem Gameplay gut, der Wiederspielwert ist auf jeden Fall gegeben. Insgesamt vier Anläufe haben wir im Test gebraucht, bis das erste Ende über das iPad lief, welches zumindest ein wenig hoffnungsvoll war.
Das Gameplay bei KOMRAD ist pures Multiple-Choice. Das Programm setzt uns Anworten vor, wir müssen entscheiden. Das macht es spielerisch zumindest einfach. Grafisch unterteilt sich das Spiel in Chat und Greenscreen, es gibt keine hochauflösenden Grafiken, sondern lediglich Text. Spielerisch tut das der Spannung aber keinen Abbruch. Die zart unterlegten Soundeffekte tragen gut zur Atmosphäre bei und vermitteln ein schönes 80er-Jahre-Gefühl. Insgesamt gibt es an der Präsentation kaum etwas zu meckern. Vielmehr lebt das Spiel von den Antworten der KI, die oft überraschend, aber irgendwie immer logisch sind.
KOMRAD ist auf der einen Seite eine oft urkomische, im Kern aber doch sehr ernsthafte Spielerfahrung. Obwohl man als Spieler oft über die Naivität der KI lachen möchte, ist die Grundstimmung weitestgehend von Spannung und ernsten Untertönen geprägt. Das ist auch gut so, denn es verhindert, dass die Story ins Lächerliche abdriftet, den Spieler aber trotzdem in genau dem richtigem Maße beim Thema behält.
KOMRAD ist eine schöne interaktive Spielerfahrung. Vor allem die oft abrupten und unerwarteten Reaktionen der KI, die auch gerne mal zu einem vorzeitigen Ende des Spiels führen, geben einen guten Anreiz, es noch einmal zu versuchen. Da am Anfang des jeweils letzten Kapitels angesetzt werden kann, muss auch nicht jedesmal von vorne gespielt werden. Trotzdem lohnt sich auch dies, denn ein kompletter Neustart kann ebenfalls zu neuen Enden führen. Für mich ist KOMRAD ein sehr gelungener Interactive-Fiction-Titel.
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