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  • Space Geekz - Die Knusperflocken-Verschwörung

Test

von  Topsy-Sophia Schmitt
26.10.2017
Space Geekz - Die Knusperflocken-Verschwörung
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Mitte der 90er Jahre entstanden im nordrhein-westfälischen Siegen zwei minder erfolgreiche 1st-Person-Adventures, die dem damals beliebten Shareware-Prinzip gemäß Verbreitung fanden. Mission Supernova ließ den Spieler in die Rolle des Küchenchefs Horst Hummel schlüpfen, der nach einer Notevakuierung an Bord seines Raumschiffs vergessen wurde und fortan mutterseelenallein das Universum durchstreifen musste. Aus der Perspektive des außerirdischen Privatdetektivs Peter Platon galt es in Andromedas Erbe hingegen, einen Kriminalfall von intergalaktischer Brisanz aufzuklären. Urheber dieser Shareware-Produktionen sind Thomas und Steffen Dingel, welche den jeweils zweiten Teil ihrer Weltraumabenteuer nur gegen eine kostenpflichtige Registrierung preisgaben. Nach der Jahrhundertwende stellten die beiden Siegener, die mittlerweile anderen Hobbys frönten, ihre Werke als Freeware zur Verfügung. Die humorvollen, packenden und atmosphärischen Grafikadventures aus dem Hause Dingel konnten sich vor zwei Dekaden zwar nicht so recht behaupten, in diesen Tagen ist ihnen aber umso mehr Anerkennung vergönnt. Niemand jedoch war seither bestrebt, den charmanten Stil besagter Titel zu imitieren – bis 2016 eine ganz und gar unverhoffte Kickstarter-Aktion ins Leben gerufen wurde. Marcel René Klapschus, Autor diverser Zukunftsromane, liebäugelte mit einem eigenen Retro-Adventure nach Machart von Andromedas Erbe. Space Geekz - Die Knusperflockenverschwörung erhielt die gewünschte Finanzierung und kann nun seit kurzem, sogar zweisprachig, bei itch.io oder Steam erworben werden. Wir haben uns das schräge Science-Fiction-Abenteuer mit dem nostalgischen Flair angesehen und unser Urteil gefällt.

Verständnisprobleme?

Die finsteren Machenschaften der Frühstücksflockenindustrie

Als Lieferanten der Space Geekz Corporation arbeiten Till und Adrian unter miserablen Bedingungen. Ihr unerquicklicher Alltag besteht darin, in einem unbequemen sowie beengten Raumfrachter durch die Galaxis zu schweifen und ihre häufig undankbaren Kunden mit PC- und Konsolenspielen zu beglücken. Leider können sie auch nicht verhindern, dass eines Tages das Triebwerk versagt und das nunmehr altersschwache Transportschiff zur unsanften Landung auf einem fremden Planeten ausholt. Als Pilot Till dann zu allem Überfluss spurlos verschwindet, obliegt es dessen unmotiviertem Partner, die notdürftigen Reparaturen zu erledigen und seine bessere Hälfte schleunigst zurück ins Cockpit zu schleifen. Bald stößt Adrian auf eine unterirdisch gelegene Stadt, deren Bürger ihm meist freundlich begegnen. Ihnen waren aber schon schönere Zeiten beschieden, bevor sich einst jener radioaktive Unfall ereignete. Seitdem gilt die Oberfläche des Planeten als unbewohnbar und der Genuss natürlicher Nahrung ist aus Sicherheitsgründen untersagt. Die Versorgung der umgesiedelten Lebewesen wird somit allein durch den hiesigen Knusperflockenhersteller Crunchcorp gewährleistet. Im Verlauf seines unfreiwilligen Abenteuers regt sich bei Adrian allmählich der Verdacht, dass die Umsiedlung des tragischen Volkes auf industriellen Machenschaften beruhen könnte. Hat Crunchcorp sein übermächtiges Imperium etwa auf einer einzigen dreisten Lüge errichtet?

Große Augen in der Dunkelheit bedeuten nicht zwangsläufig Gefahr.

Protagonisten aus dem Skurrilitäten-Kabinett

Damit beginnt eine bizarre Odyssee, die mit unzähligen Überraschungen aufwartet. Nicht bloß die Zivilisation, sondern ebenso die Flora und Fauna des Planeten darf Adrian fortan erkunden. Begegnungen mit aberwitzigen Charakteren und hiermit verbundene Spezialaufträge sorgen stets für Erheiterung. So gilt es etwa, den entflohenen Trötifanten Honki einzufangen und zurück zu seinem Besitzer zu geleiten. Im Tierladen schließt der Spieler zudem mit Kuwelplops und Sloms Bekanntschaft, denn Katzen, Hunde und Kaninchen würden sich dort schlecht verkaufen. Allerdings tummeln sich in der Hauptstadt Luria auch zwielichtige Gestalten. Als solche entpuppt sich Dealer Broc-Coli, welcher illegal mit Kamplat-Früchten handelt und an vermeintlicher Blasenschwäche leidet. An verrückten Ideen mangelte es dem Autor mitnichten, sodass Space Geeks vor allem kurzweilige Unterhaltung garantiert.

Der Tentakeltrockner – einmalig im Universum.

Traditionelle Steuerung und knifflige Rätsel

Von den klassischen neun Verben eines Andromedas Erbe hat sich x86-Games distanziert. Das Coin-Interface beschränkt die Aktionen auf drei relevante Befehle: Reden, Betrachten und Benutzen bzw. Nehmen. Mit einem Rechtsklick wird am unteren Bildschirmrand das Inventar ein- oder ausgeblendet. Ein Ausgang aus dem Szenenbild wird sichtbar, sobald sich der Mauscursor in einen blauen Pfeil verwandelt. Um das konventionelle Spieldesign zu wahren, erweisen sich natürlich auch Multiple-Choice-Dialoge als unentbehrliches Element. Somit zeigt sich Space Geekz im altmodischen Sinne komfortabel. Als Minuspunkt wäre hingegen zu nennen, dass einige Textzeilen nicht überspringbar sind, während sich andere bequem abkürzen lassen – besonders bei wiederholten Passagen kann dies störend wirken.
Zudem wartet das Spiel mit kniffligen Rätseln auf, wobei deren Lösung mitunter auf einer Cartoon-Logik basiert. Absurde Gedankengänge sind also stets erwünscht und gelegentlich darf man sich zu rüpelhaftem Verhalten hinreißen lassen. So ist selbst beim Knobeln für manche Belustigung gesorgt. Der Schwierigkeitsgrad steigert sich in späteren Abschnitten deutlich und geübte Adventure-Spieler werden durchaus gefordert.
Außerdem bleibt zu erwähnen, dass Adrian zur Gattung der unsterblichen Adventure-Protagonisten zählt – ganz anders als seine Dingel‘schen Vorbilder, die in einer nicht atembaren Atmosphäre erstickten und bei Unachtsamkeit von Feinden getötet oder eingesperrt wurden.

Kuwelplops und Sloms – sind sie nicht… äh… niedlich?

Charmant gerenderte Nostalgie in 256 Farben

Um den speziellen Ansprüchen der 90er Jahre zu genügen, mussten rund 120 dreidimensional gerenderte Szenenbilder nachträglich in einem Grafikprogramm verpixelt werden. Dies verlieh den besagten Hintergründen einen eher schmutzigen als makellosen sowie leicht verwaschenen Stil, welcher das noch unschuldig kindhafte Fortschrittsbestreben jener Dekade wunderbar reflektiert. Folglich greift x86-Games sogar auf eine Palette von 256 Farben zurück, um diesen Eindruck nicht zu verfälschen. Auch die comicartigen Nebenfiguren, die unterschiedlichen Kulturen entstammen, fügen sich einwandfrei in die nostalgischen Kulissen ein und fristen dort nicht bloß ein statisches Dasein. So wischt etwa Barkeeper Tamac mit einem Lappen den Tresen sauber. Da es sich bei Space Geeks um ein Ego-Adventure handelt, das aus der Perspektive von Adrian gesteuert wird, bleibt dem Spieler dessen Gesicht immerzu verborgen.
Ebenso trägt schon die einprägsame Titelmelodie mit ihren fremdartigen, intergalaktisch anmutenden Klängen und zahlreichen Variationen den Geist eines Andromedas Erbe ins Jahr 2017 fort. Während des Spielens ertönt Musik seltener, da das Geschehen vielmehr durch eine äußerst lebhafte Geräuschkulisse begleitet wird. Ob reger Straßenlärm in Luria, das Zwitschern gefiederter Gesellen im artenreichen Schattenwald oder das Tippen einer Verkäuferin auf ihrem Display – der Planet verstummt niemals.
Darüber hinaus ist dem Spiel eine durchgängige Synchronisation vergönnt, wobei die Sprecherleistung zumeist steigerungsfähig gewesen wäre. Besonders die lässige wie lustlose Tonlage des Hauptcharakters, dem der Autor persönlich seine Stimme lieh, vermag sich jedoch zu bewähren.

Hinter dieser Pforte verbirgt sich die Höhle des Löwen.

Fazit

Wer noch immer ein tiefes Verhältnis zur Grafik und Akustik eines Andromedas Erbe pflegt, wird sich am Debüt von Marcel R. Klapschus alias x86-Games ganz bestimmt erfreuen können. Mit einer kreativen Geschichte, hübschen Anekdoten an die 90er Jahre und einem liebenswürdigen Humor dürfte dieser Titel die Erwartungen seiner Backer erfüllen – doch vor allem eines hat der eifrige Entwickler zweifellos erreicht: Space Geekz wirkt wie aus der Zeit gefallen.

Galerie

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Andromedas Erbe und Mission Supernova zählen zu den frühesten Adventures, die ich in jungen Jahren erleben durfte. Ihren Reiz haben sie seither nicht verloren und der Gedanke an eine mögliche Fortsetzung, an die kaum zu glauben war, ließ mein Herz gewiss höherschlagen. So fühlte sich auch die Projektankündigung von Marcel R. Klapschus wie ein schöner Traum an, der später tatsächlich in Erfüllung gehen sollte. Das Ergebnis enttäuschte mich keineswegs, obgleich ich vielleicht ein wenig das Sterben in Gefahrensituationen vermisste. Space Geekz entpuppte sich aber ebenso als eigenständiges und unabhängiges Werk, das mich vollends begeisterte und mir den Abschied vom Bildschirm erschwerte. Ein neues haarsträubendes Abenteuer mit Till und Adrian würde ich somit absolut befürworten.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Schöne Retro-Grafik und Musik
  • kreative Geschichte
  • Kuwelplops und Sloms
  • gelungene Hommage
  • anspruchsvolle Rätsel
  • zweisprachige Synchronisation...
  • ... die große Sprecherleistungen vermissen lässt
  • Dialoge lassen sich häufig nicht abkürzen