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Test

von  Janina Brünner
28.05.2018
Unforeseen Incidents
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch
88%

Mit Unforeseen Incidents hat der Entwickler Backwoods Entertainment in Zusammenarbeit mit Application Systems Heidelberg sein erstes Adventure fertig gestellt. Dabei soll es sich um ein von Fernsehserien wie Lost, Twin Peaks und Akte X inspiriertes Mystery-Abenteuer handeln, welches in klassischer Point-and-Click-Manier daherkommt. Die Entwickler versprechen außerdem mehr als 60 Hintergründe und eine Spielzeit von 10 bis 16 Stunden, bei einem Schwierigkeitsgrad und Umfang von Spielen wie Monkey Island 2. Ob ihnen das Mammutprojekt gelungen ist, erfahrt ihr in unserem Test.

Harper verbringt die Zeit gerne im Bett

Kleinstadt-Flair vs. tödlichen Virus

Die Geschichte startet in der ehemaligen Arbeiterstadt Yelltown, welche in der Vergangenheit schon viele Krisen durch Umweltkatastrophen erleiden musste. Einer der übriggebliebenen Einwohner ist der Hobbybastler Harper Pendrell. Er verschanzt sich gerne in seiner Wohnung und hält nicht viel von Arbeit. Doch als der Wissenschaftler MacBride ihn um Hilfe bittet, verlässt er das Haus, um zu ihm zu gehen. Dabei trifft er auf eine im Sterben liegende Frau. Schnell wird Harper klar, dass es sich bei der Erkrankung um den mysteriösen und tödlichen Yelltown-Virus handeln muss, welcher nicht nur die Kleinstadt zu bedrohen scheint. Um den letzten Willen der Frau zu erfüllen, begibt er sich auf die Suche nach einer Reporterin und wird mehr und mehr in den Strudel einer geheimnisvollen Verschwörung gezogen. Denn es sieht so aus, als wenn jemand bei der Verbreitung der Krankheit nachhilft. Doch nicht jeder möchte, dass die Wahrheit aufgedeckt wird, und so läuft er in den vier Kapiteln auch Gefahr, sich selbst mit dem Virus zu infizieren.

Obwohl die Geschichte nicht neu erscheint, wird sie bis zum Ende spannend erzählt und vollständig aufgelöst. Die Entwickler halten dabei die angegebene Spielzeit ein. Somit kann Unforeseen Incidents als eins der längeren, modernen Adventures bezeichnet werden.

Yelltown sind die vielen Krisen anzusehen

One-Click-Steuerung

Wie die Entwickler angekündigt haben, handelt es sich bei dem Spiel um ein typisches Point-And-Click-Adventure. Dazu gehört auch die Steuerung mit der Maus, allerdings wird eine One-Click-Steuerung verwendet, so dass die linke und rechte Maustaste keine getrennten Funktionen haben. Verwendbare Gegenstände werden somit automatisch eingesammelt und lassen sich nicht erst betrachten. Ausführliche Kommentare sind dennoch immer vorhanden, meistens gibt es bei einem erneuten Klick zusätzliche Texte. Auch im Inventar, welches am oberen Bildschirmrand eingeblendet wird, können die Gegenstände für weitere Kommentare angewählt werden. Natürlich sind, wie in einem guten Adventure üblich, Manipulationen und Kombinationen von Gegenständen möglich. Das Multitool aka Taschenmesser des Bastlers Harper ist ebenfalls immer dabei. Es bietet verschiedene Werkzeuge und lässt damit viele interessante Einsatzmöglichkeiten zu.

In den detailreichen Hintergründen sind zahlreiche Hotspots anwählbar. Da einige davon leicht übersehen werden können, ist die eingebaute Hotspotanzeige auf der Leertaste eine sinnvolle Funktion. Viele Gegenstände sind nicht spielrelevant und bieten durch ihre Betrachtung einen tieferen Einblick in die Geschichte. Ein Doppelklick auf Ausgänge sorgt für einen schnellen Ortswechsel. Da die einzelnen Kapitel teils sehr weitläufige Locations beinhalten, wurde hier mit einer Karte gearbeitet.

Speichern ist jederzeit möglich. Dafür stehen dem Spieler 29 Speicherplätze zur Verfügung. Außerdem gibt es eine Autosave-Funktion.

Neben klassischen Inventarrätseln, gibt es auch dieses Minispiel

Fordernde Rätsel

Durch die vielen besuchbaren Orte und das häufig gefüllte Inventar, welches nur zu Kapitelanfang geleert wird, bietet Unforeseen Incidents einen angenehmen Schwierigkeitsgrad, welcher durchaus auch fortgeschrittene Spieler beschäftigt. Meistens hat Harper verschiedene Aufträge. Jene können in beliebiger Reihenfolge gelöst werden. Somit kann bei einem Hänger einfach an anderer Stelle weitergerätselt werden. Die Kombinationsrätsel erfinden das Rad nicht neu, sind aber immer gut integriert, durch das Multitool vielfältig und in der Regel sinnvoll eingebaut. Für einige Aufgaben müssen auch aus Dokumenten die richtigen Schlüsse gezogen werden, etwa zur Anmeldung an einem Computer oder zum Finden einer Telefonnummer. Dabei wirken gerade die Recherchearbeiten fordernd. Auch Zettel und Stift können zwischendurch hilfreich sein. Anfänger sollten sich davon nicht abschrecken lassen. Sofern der Spieler alles genau untersucht, sind die Rätsel gut machbar.

In wenigen Momenten ist eine Aufgabe durch Ausprobieren zu lösen. Allerdings sind die Möglichkeiten begrenzt, so dass das kein Problem darstellt. Sterben kann Harper nicht, doch gibt es wenige Situationen, in denen es auf das richtige Timing ankommt. Scheitert der Spieler, wird die Situation neu gestartet. Zu den Kapitelübergängen gibt es außerdem eine Art Minispiel, bei welchem einzelne Bereiche über Linien verbunden werden müssen. Dies ist nicht weiter schwer und bietet eine nette Abwechslung zu den Kombinationsrätseln.

Nicht nur beim Äußeren sind die Charaktere individuell

Schrullige Charaktere

Die Grafik ist im Comic-Stil gehalten und weist detailreiche Hintergründe auf. Die Schauplätze sind dabei sehr abwechslungsreich und ändern sich in jedem Kapitel. So besucht Harper in einem Abschnitt einen Strand und im nächsten findet er sich in verschneiten Gefilden wieder. Viel Bewegung ist an den einzelnen Orten aber nicht vorhanden. Kein Blatt wiegt sich im Wind und auch Vögel sucht der Spieler vergebens. Schlimm ist das allerdings nicht, denn die Hintergründe sind auch so hübsch anzusehen und bieten genug fürs Auge. Kleinere Zwischensequenzen sind ebenfalls vorhanden, vor allen Dingen zu Kapitelbeginn.

In Gesprächen wird näher an die Personen rangezoomt, so dass die Grafik dann verschwommen wirkt. Außerdem gibt es für einige Aktionen Schwarzblenden. Hier war der Aufwand wohl zu groß, um die Situationen komplett darzustellen. Dies sind aber Kleinigkeiten, die insgesamt kaum negativ ins Gewicht fallen.

Das Charakterdesign wird dagegen die Meinungen spalten. Es wirkt zunächst gewöhnungsbedürftig, hat aber einen ganz eigenen Stil, der gut zum Comic-Look passt. Die vielen schrulligen Charaktere, denen Harper im Laufe des Spiels begegnet, haben so alle ihre besondere Note erhalten. Mit den Animationen geht der Entwickler auch bei den Figuren sparsam um. Mimik und Gestik sind minimalistisch gehalten und wirken nicht immer glaubwürdig. Gerade bei der Benutzung von Treppen schwebt Harper eher über diese, als dass er die einzelnen Stufen betritt.

Mal ist es warm...

Humorvolle Epidemie

Deutsche Spieler dürfen sich freuen. Mit Unforeseen Incidents ist endlich wieder ein Adventure mit deutscher Sprachausgabe erschienen. Jene ist außerdem gelungen. Gerade die Hauptcharaktere wurden mit passenden Stimmen besetzt und machen ihren Job glaubwürdig. Untertitel können bei Bedarf zugeschaltet werden. Obwohl es in der Geschichte um eine tödliche Krankheit geht, kommt auch der Humor nicht zu kurz. Immer wieder gibt es bissige Kommentare, und aktuelle Themen werden ebenfalls aufgegriffen. Bei den Dialogen kann manchmal zwischen verschiedenen Optionen gewählt werden. Diese ändern den Gesprächsverlauf aber nur minimal bis gar nicht, denn die Geschichte ist linear aufgebaut.

Die Musik sticht nicht besonders heraus. Meistens hält sie sich dezent im Hintergrund.

... und dann wieder kalt - Die Schauplätze sind sehr abwechslungsreich

Fazit

Backwoods Entertainment ist ein richtig gutes Erstlingswerk gelungen, welches das Adventureherz höher schlagen lässt. Eine lange Spielzeit ist ebenso vorhanden wie fordernde Rätsel. Außerdem wird die Geschichte bis zum Ende spannend erzählt. Dazu kommen eine gelungene deutsche Sprachausgabe und detailreiche Hintergründe. Über Kleinigkeiten, wie die minimalistischen Animationen, kann bei dem Gesamtpaket auch schonmal hinweggesehen werden.

Galerie

Kommentare des Verfassers

Kommentare

detail

Das Erstlingswerk von Backwoods Entertainment erinnerte mich in einiger Hinsicht an Klassiker wie Baphomets Fluch, wenngleich es stilistisch und inhaltlich vielmehr einer neuen Epoche angehört. So beeindruckte mich die politisch-brisante, kaum realitätsferne Geschichte immens und – in heutigen Grafikadventures nicht immer selbstverständlich – die sympathischen Hauptfiguren wuchsen mir rasch ans Herz. Auch die häufig skurrilen, doch ebenso authentisch wirkenden Charaktere, die mir auf meiner Reise mit Harper Pendrell begegneten, nahm ich äußerst positiv wahr – oder entsprechend negativ, sofern es sich um fiese Antagonisten handelte. Zudem sehe ich mich als großer Freund jener hochwertigen Zeichnungen, die in ihrer andersartigen Kunstfertigkeit einer Graphic Novel nachempfunden sein könnten. Der herrliche Soundtrack begeisterte mich mit seinen eher leisen, dramatischen Klängen. Euphorie scheint mir also angebracht, denn Unforeseen Incidents präsentiert sich trotz vergleichsweise winziger Schwächen hier und dort als herausragendes Adventure-Debüt.

detail

Endlich wieder ein gutes Point-and-Click-Adventure. Das hatte ich zumindest beim Spielstart gehofft und ich wurde nicht enttäuscht. Dass es sich um das Erstlingswerk von Backwoods Entertainment handelt, ist dem Spiel absolut nicht anzumerken. Mich konnte nicht nur die spannende Geschichte begeistern, sondern dass ich mich als fortgeschrittener Spieler gefordert gefühlt habe. Einige Male hatte ich ein richtiges Brett vor dem Kopf und so ging es mir schon länger nicht mehr. Bleibt zu hoffen, dass das Spiel auch finanziell ein Erfolg wird. Denn ich will bitte mehr davon.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Abwechslungsreiche Schauplätze
  • Detailreiche Hintergründe
  • Fordernde Rätsel
  • Lange Spielzeit
  • Spannende Geschichte
  • Animationen nicht immer realistisch
  • Charaktermodelle gewöhnungsbedürftig
  • Stellenweise Schwarzblenden