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Test

von  Hans Pieper
17.06.2018
Gray Dawn
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Ein Adventure wie ein Fiebertraum: Stetig gefangen zwischen scheinbarer Realität, traumhaften Ruhezonen und feurigen Höllenvorstellungen durchquert der Spieler in Gray Dawn die blutige Geschichte eines Waisenhauses. Ständiger Begleiter sind zwei Fragen: Sind die Kindesmorde, die dem Protagonisten vorgeworfen werden, tatsächlich so geschehen? Und was ist nun wirklich real?

Harter, verwirrender Tobak

Eins ist das Spiel mit Sicherheit nicht: Leichte Kost

Während die Hintergrundgeschichte des Adventures zunächst sehr klassisch für das Horror-Genre ohne jegliche überraschende Wendung erscheint, nimmt der Titel vor allem gegen Ende deutlich an Fahrt auf und holt aus dem Aufbau doch noch einiges heraus. Leider verstolpert sich die Erzählung dabei mehrfach, macht zu viele Nebenschauplätze auf und setzt zu stark auf Effekthascherei. Die beiden jeweils sehr kurz gehaltenen, alternativen Enden fühlen sich wie eine Vollbremsung an und lassen viele Fragen offen. Auch wird die Chance verpasst, die mehrfach aufgeworfenen Inhalte zu manischer Religionsausübung ordentlich zu verarbeiten. Zudem wird der harte Themenkomplex Selbstmord primär als Schocker eingesetzt, ebenso wie häufig und explizit dargestellte, minderjährige Mordopfer. Die Geschichte verkommt dabei fast zum Alibi, obwohl gerade bei diesen Thematiken mehr Verantwortung im Umgang dringend notwendig wäre.

Grafik, wechsel dich

Blut und organisches Material begegnen dem Spieler an vielen Stellen

Blut fließt nicht zu knapp in Gray Dawn, auch organischer Materie begegnet der Spieler häufig. Neben diesen plakativen Splatterelementen setzt das Spiel auch auf einige wenige Jumpscares. Demgegenüber stehen angenehme Ruhepausen in fast schon paradiesischen Oasen. Diese Abwechslung ist reizvoll und an einigen Stellen spielt die Grafik ihre Stärken voll aus. Demgegenüber stehen Momente, die nicht ganz überzeugen können. Besonders Animationen von Charakteren oder Details in der Landschaft lassen hier häufig Luft nach oben. Schön ist, dass an einigen Stellen der Erkundungstrieb aufmerksamer Rätsler belohnt wird. Auch die hohe Menge an unterschiedlichsten Umgebungen, die in einem angenehmen Spieltempo in den etwa vier bis fünf Stunden Spielzeit durchschritten werden, sind ein Pluspunkt.

Finden, Einsetzen

Wunderschöne Landschaften sorgen für Horror-Pausen

Neben einer Handvoll bestens bekannter Minispiele bestehen die Rätsel im Spiel aus Suchaufgaben. Meist müssen in recht übersichtlichen Gebieten Objekte gefunden werden, die automatisch ins Inventar wandern und per Klick an passender Stelle eingesetzt werden. Adventure-Treff-Leser werden daher nicht viel Mühe mit den Aufgaben haben. Das gilt auch für die klassiche WASD-Steuerung aus der Ego-Perspektive. Durch die leichten Rätsel wertet das an sich als Explorationsadventure angelegte Spiel die Erfahrung etwas auf. Ein guter Ansatz ist eine Spieluhr, mit der die Umgebung abwechselnd in zwei unterschiedliche Zustände versetzt werden kann. Was noch einmal Abwechslung und zusätzliche Rätsel einbringt, wird aber vergleichsweise spärlich genutzt.

Recherchestark

Religiöse Motive und Anspielungen gibt es zuhauf

Augenscheinlich viel Mühe ist in die Recherche der religiösen Hintergründe geflossen. Die Texte wirken authentisch, viele Szenen enthalten Referenzen an biblische und kirchliche Themen. Die kompromisslose Dunkelheit einiger religiöser Praktiken und Lehren wird dabei  geschickt genutzt, um die düstere Atmosphäre weiter zu stärken.

 

 

Hört, hört

Real oder nicht? Das ist nicht leicht zu entscheiden

Obwohl die nur auf Englisch verfügbare Sprachausgabe insgesamt gut ist, überzeugen die Sprecher vor allem in Extremsituationen nicht. Hier wird mit zu viel Gleichmut intoniert. Überraschend treffsicher sind hingegen die Sprecher der Kinder, deren Emotionen nur an wenigen Stellen nicht ganz dem Text gerecht werden. Ein an sich guter Soundtrack untermalt die Szenen passend – wird jedoch zu häufig eingesetzt und kann so mit der Zeit nervig werden, zumal die Stücke recht kurz sind. Die Gestaltung der Geräusche ist passend umgesetzt.

 

Fazit

Egal ob im Bereich Geschichte, Grafik, Horror und Sounddesign: Gray Dawn macht in Teilen vieles richtig. Gleichzeitig verheben sich die Entwickler aber auch häufig. Die letztlich unausgegorene Erzählung, die streckenweise nur Alibi für plakative Schocker ist, Unzulänglichkeiten in der Darstellung, Unvollkommenheiten im Sounddesign und allzu einfache Rätsel sind gewichtige Kritikpunkte. Demgegenüber stehen Momente, die einen kreativen Vertreter des Horror- und erweiterten Explorationsgenres darstellen. Vor allem mit Blick auf die problematischen Thematiken muss jeder selbst entscheiden, ob er er dem Titel eine Chance gibt.

Galerie

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

In der Redaktion können wir den Begriff des "psychologischen Horror-Adventures" schon nicht mehr hören. Gray Dawn hat interessante Ansätze, um dem Genre doch noch etwas Neues abzugewinnen. Und in Teilen gelingt das. Aber eben nur in Teilen. Und wer nachhaltigen Grusel auslösen will, braucht mehr als plakative Geisterbahn-Effekte. Denn tiefgehender Horror braucht Kopfkino - und das erreicht man nur mit einer bis ins letzte Detail ausgefeilten Geschichte und Inszenierung und nicht mit möglichst provozierenden und eindeutigen Bildern.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Teilweise sehr hübsche Grafik
  • Interessante Ansätze für das Genre
  • Zunächst klassische Story erreicht unerwartete Wendungen
  • Sprecher insgesamt gut
  • Grafik vor allem bei Animationen schwach
  • Geschichte verstolpert sich
  • Horror zu plakativ
  • Sprecher nicht immer auf den Punkt