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7 Jahre Abenteuer Teil 8: Ende und Anfang
Vom: 01.02.2021

2018 - Ende und Anfang

 

Die Titel, die ich in meinem letzten Jahr beim Treff testete, standen sich in Extremen gegenüber: Fantastische Adventures wie The Station, Oxenfree und komplette Gurken wie Without Escape, Gray Dawn (ein First-Person-psycholog… ihr wisst schon), und Alaska, auf das ich heute noch sauer bin (ratet mal, welches Subgenre). Zu diesem Spiel schrieb ich meinen letzten Verriss, der auch der böseste wurde.

 

Daedalic vollendete sein letztes "Adventure", das mehr ein interaktiver Roman war: Die Säulen der Erde. Tatsächlich hatte ich vor dem Spielen das Buch durchgelesen und war recht angetan von der multimedialen Aufbereitung - allerdings nicht aus der Sicht eines Adventure-Spielers, denn dafür war mir das Spielerlebnis zu flach. Und wieder drängte die Zeit, um eine häufig gelesene Rezension pünktlich veröffentlichen zu können. Die Romanadaption verkaufte sich nicht so gut, wie vom Verlag erhofft und Daedalic verschwand nach einem letzten Aufbäumen mit State of Mind Adventure-technisch mehr oder weniger von der Bildfläche. Auch Telltale erwischte es 2018. Damit setzte sich ein Trend fort, der bereits vor Jahren eingesetzt hatte.

 

Im März feierte ich ein Jubiläum: Mein 100. Test erschien auf Adventure-Treff. Dafür hatte ich mir einen besonderen Titel herausgesucht: Chuchel von Amanita Design. Leider gefiel er mir überhaupt nicht. Im selben Monat erschien auch mein Test zu The Witness, einem Titel, der sich auf meiner langsam schrumpfenden Backlog-Liste befand. Ein fantastisches Spiel, das mich nachhaltig geprägt – und mir auf gewisse Weise auch die Augen geöffnet hat. Ich spielte den Titel, wie ich inzwischen alle Titel spielte – in gewohnter Tester-Manier. Alles wahrnehmen, geistige Notizen machen, beim Hängen zügig in die Lösung gucken, man will ja fertig werden. Und bei diesem Spiel ist genau das ein furchtbarer Fehler. Ein Großteil der Genialität von The Witness ging mir durch das routinemäßige Linsen in die Lösung schlicht verloren. Zwar beeindruckten mich die philosophischen Rätsel immer noch stark – aber es wäre mit Geduld eben viel mehr möglich gewesen. Gepaart mit den weiterhin sinkenden Klickzahlen unserer Produktionen stellte sich bei mir immer mehr das Gefühl ein: Ich muss etwas ändern.


Natürlich diskutierten wir auch längst intern darüber, wie wir den Treff umgestalten könnten, um Arbeitszeit und Resonanz wieder besser in Einklang zu bringen. Die Newsflut war nicht mehr beherrschbar, bei den Tests waren wir nicht mehr schnell genug. Jobs, andere Freizeitaktivitäten und Familien erhielten bei uns allen mehr Bedeutung und drängten den Treff zurück. Doch eine wirklich gute Antwort auf unsere offenen Fragen hatten wir noch nicht.

Eines Abends setzte ich mich vor den Rechner und tippte einen Artikel, der die Situation des Genres, der Redaktion und von mir aufzeigen sollte. Nach kurzer Diskussion entschlossen wir uns, die Analyse als Querschläger zu veröffentlichen. Wir hofften auf Ideen aus der Community – und diese kamen. Langsamer berichten, aber gründlicher. Themenspecials zusammenfassen. Mehr auf das Forum setzen. Die Diskussion ist mit ein Grund, weshalb es den Treff heute noch gibt und immer noch Redakteure motiviert daran mitarbeiten: Es gibt sie noch, die starke Community aus Adventure-Fans. Und es wird sie immer geben. Sobald man sich von Reichweiten und Leistungszielen verabschiedet, kann man ein wichtiger Teil dieser Community sein. Und das war eine wunderbare Erkenntnis.

 

Für mich persönlich wurde immer klarer, dass ich eine Pause brauchte. Ich wollte nach sieben Jahren anderen Hobbys nachgehen. Und für mich war auch klar, dass ich nicht als „vielleicht“-Redakteur dabeibleiben wollte – voller Einsatz oder keiner. So wurde Unavowed mein letzter Test – und ein fantastischer Abschluss meiner aktiven Redakteurszeit. Die gamescom konnte ich umso mehr genießen, weil ich wusste, dass es vorerst die letzte war. Und es blieb mir ja jederzeit offen, zu Messen kurzzeitig wieder einzusteigen wie mein Kollege Jan, den wir auch auf keiner gamescom oder AdventureX vermissen wollten. Natürlich wurde in Köln noch einmal Fast ein Interview geführt. Diesmal standen wir in einem Abfluss auf der Messe. Der Kommentar „Unterhaltungswert 100% Informationswert leider eher mager“ war exakt das, worauf wir abgezielt hatten. Noch einmal versuchte ich mich an einer äußerst aufwändigen Videoproduktion: Ein fast 15-minütiger Blick hinter die Kulissen von Harold Halibut. Noch einmal war ich frustriert, wie wenige Zuschauer das Video anlocken konnte.


Meine letzte Aktion als aktiver Redakteur war der Besuch der AdventureX 2018 in London. Ich genoss die kleine Messe in vollen Zügen, sie war eine Art Ehrenrunde. Ich fühlte ich mich in die Zeit meiner ersten gamescom zurückversetzt. Noch einmal zeichneten wir gemeinsam Podcasts auf und freuten uns über die Zusammenkunft. Am letzten Abend stießen wir auf die gemeinsame Zeit an.

Am 7. Dezember verließ ich offiziell die Redaktion, unglaublich glücklich über die tolle Zeit mit tollen Kollegen und einer tollen Community.


Das Adventure-Genre ist tot? Nein. Es lebt. Und das wird es auch weiterhin tun. Aber es hat sich verändert. Und es wird sich weiter verändern. Wie wir.

 

Epilog

 

Zwei Jahre nach meinem Austritt aus der Redaktion sitze ich bequem zurückgelehnt auf der Couch und betrachte, genau wie Gerald und Yennefer, entspannt den Sonnenuntergang in Toussant. Nach 161 Stunden habe ich The Witcher 3 komplett durchgespielt. Und jede Sekunde genossen. Keine Eile, keine Bewertung. Nur Spielen. Jetzt, in genau diesem Moment, ist meine Backlog-Liste leer. Ab sofort kann ich mir Titel aus der Wunschliste suchen und sofort spielen. Es sind viele Adventure dabei, auf die ich mich freue.

Hans Pieper

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